Geriatrie/Demenz
Foto: © tilla eulenspiegel / Photocase
Musiktherapie in der Geriatrie und Gerontopsychiatrie
Für die häufigsten psychischen bzw. psychiatrischen Erkrankungen im Alter – Depression und Altersdemenz – bietet Musiktherapie grundlegende Hilfen. Aber auch bei Schlaganfall und Parkinson leistet Musiktherapie unersetzliche Dienste.
Depressiven Patienten, deren Gefühlswelt erstarrt ist, stellen einige Eigenschaften der Musik basale Unterstützungspotentiale bereit. Der wichtigste Aspekt bei dieser Erkrankung ist die emotionalisierende Wirkung von Musik, die die Gefühlsleere füllen und die Erstarrung verflüssigen kann. Wo die Gefühlsebene nicht mehr verbalisiert werden kann, ersetzt musikalisches Erleben die Worte und fördert differenzierende Wahrnehmung. Andere Aspekte der Musik sind beispielsweise ihre Funktion als Erinnerungsträger. Musik aktiviert Assoziationen an – meist positiv besetzte – Erlebnisse der Vergangenheit und kann helfen, Lebensbilanzen besser zu bewerten und die brüchig gewordene Identität zu stabilisieren. Musikmachen fördert darüber hinaus die Bereitschaft zu experimentieren, sich probehalber auf neue Erfahrungen einzulassen und neue Lösungswege zu suchen.
Für an Demenz Erkrankte ist an erster Stelle eine Funktion der Musik zu nennen: Erinnerungen wecken. Menschen mit Demenz tauchen im Verlauf ihrer Erkrankung in die Realitäten ihrer Kindheit und Jugend. In dieser Lebensphase werden die prägenden musikalischen Erfahrungen gemacht. Die Musik knüpft hier also an schwergewichtige Ressourcen an. Diese alten musikalischen Erfahrungen erweisen sich als “resistent” gegen das Vergessen. Ein altersdementer Patient, der die Orientierung zu sich selbst verloren hat und seinen einen Namen nicht mehr aussprechen kann, kann aber mühelos ein vier-strophiges Volkslied singen. Die Erfahrung, dies noch zu können, trägt zum Identitätserhalt, zum Angstabbau und somit zu einem großen Stück Lebensqualität bei, aber auch zur Bewunderung durch die soziale Umwelt. Demenzerkrankte verfügen zudem noch sehr lange über emotionale Fähigkeiten, auch wenn die kognitiven schon weitgehend eingeschränkt sind. Diese emotionalen Fähigkeiten können mit Hilfe vertrauter Musik gezielt angeregt werden. Das mündet nicht selten in erhöhte Wachheit und Verbalisierungsfähigkeit: Erlebnisse aus dem Altgedächtnis können wieder erzählt werden. Auch die äußere Beweglichkeit nimmt zu, und bei der Bewegung zur Musik werden wichtige Vitalfunktionen wieder angeregt.
In den S3 Leitlinien Demenzen wird Musiktherapie empfohlen, weil Studien gezeigt haben, dass psychodynamisch sehr relevante Verhaltensauffälligkeiten (BPSD) mit Musiktherapie abnehmen: Angst, Unruhe, Wandering und Apathie.
Welche anderen Krankheitsbilder im Alter von Musiktherapie profitieren können, zeigt der “Indikationskatalog für chronisch-psychisch erkrankte ältere und alte Menschen” im Überblick (“Beiträge zur Musiktherapie Nr. 450“).
Insbesondere bei Parkinson und für Beweglichkeitsstörungen durch Schlaganfall bietet Neurologische Musiktherapie (NMT) wirksame Interventionen.
Filmbeiträge
Siehe Andreas Tobias Kind Stiftung.
Prof. Jan Sonntag in der musiktherapeutischen Arbeit mit Gert, der von Demenz betroffen ist. Ein Film von Stefan Gieren.
Weiterführende Links
Arbeitskreis Musiktherapeut*innen in der Arbeit mit alten Menschen www.almuth.net
Bundesinitiative Musik und Demenz BIMuD
S3-Leitlinie Demenzen – Volltext
S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom – Volltext
Information und Meinung rund um das Thema Demenz im Krankenhaus unter www.demenz-im-krankenhaus.de