Joachim Finger berichtet zum Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März von Kraftmacherlied-Projekt

76 Familien gebärden Lindenberg-Song. Ein Bericht zum Welt-Down-Syndrom-Tag

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Am 21. März (wie Trisomie 21…) ist jedes Jahr Welt-Down-Syndrom-Tag! Heute vor vier Jahren, also am 21. März 2021, gebärdeten 76 Familien das ‚Kraftmacherlied‘ “Niemals dran gezweifelt” von Udo Lindenberg in der “Sendung mit der Maus”.

“Niemals dran gezweifelt” war der Titelsong des Films “Lindenberg! Mach Dein Ding”, der 2019 in die Kinos kam. Die ‚Singfinger‘, eine im Rhein-Sieg-Kreis gegründete Elterninitiative von Meike Walcha-Lu und Lucy James, zwei Müttern von Down-Syndrom-Kindern, hatten ein großartiges Übungsvideo zusammengestellt, damals zum “Corona-Durchhaltelied” umbenannt:

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Dann haben sie junge Familien mit Down-Syndrom-Kindern aufgefordert, sich beim Gebärden und Singen zu filmen. Das hier kam dabei heraus:

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Zusammengeschnitten und vom WDR bearbeitet, entstand daraus dieses Video, das auch in der “Sendung mit der Maus” lief:

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Ein paar Monate später, in den Sommerferien 2021, haben wir, Musiktherapie und Praktikantinnen im Sonnenhof in Schwäbisch Hall, unser Sommerprojekt gestartet.

Der Sonnenhof, heute Diakoneo-Sonnenhof, ist eine diakonische Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, u.a.  AutistInnen, Menschen mit herausforderndem Verhalten, Menschen mit Schwermehrfachbehinderungen, natürlich auch Menschen mit Down-Syndrom.

Über einen Zeitraum von gut zwei Wochen waren wir, mindestens einmal täglich, für jeweils ungefähr eine halbe Stunde in einer Wohngruppe. Wir haben über den Fernseher der Gruppe das Übungsvideo und das Original von Udo Lindenberg geschaut, und Singen und Gebärden geübt, auch ‚getrennt‘, je nach Bedarf.

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Teilgenommen haben jeweils zehn Kinder und Jugendliche zwischen neun und siebzehn Jahren.

Wir waren auf die Idee gekommen weil eine nicht sprechende Bewohnerin, Susanne, (alle Namen sind geändert), 14 Jahre, sich besonders gut über Gebärden und Symbolkarten (Kölner Tafel) ausdrücken konnte und darüber hinaus sehr gerne Musik hörte und tanzte. Sie ging ganz in der Musik auf, begeistert von den Videos, sang nahezu mit.

Erstaunlicherweise schaffte sie es als einzige nicht, Gebärden zu integrieren. Ihre Ausdruckskanäle waren mit dem Hören der Musik und dem gleichzeitigen Schauen der Videos komplett belegt. Sie verfügt ansonsten durchaus über die Fähigkeit zu Liedern zu gebärden, wenn diese im Stuhlkreis gesungen und mit Gitarre oder Klavier begleitet werden.

Seans Gebärdensprache war so: er lag begeistert von der Musik auf dem Sofa, sang mit und tanzte mit den Kissen.

Elisabeth, eine Autistin, der es sehr schwer fällt zu reden, auch 14 Jahre, sang begeistert mit, tanzte und lernte sehr schnell alle Gebärden. Sie kann sie auch heute noch abrufen und tut das auch.

Auch Jana kann das Lied nach bald vier Jahren immer noch auswendig und wünscht es sich im klingKlang, einem musiktherapeutischen Gruppenangebot.

Bei manchen lag der Schwerpunkt mehr auf dem Singen, dem Tanzen und dem Hören der Musik, bei Anderen mehr auf den Gebärden, die Motivation war bei allen sehr hoch, alle waren wirklich voll dabei. Natürlich waren auch die Konzentrationsspannen der BewohnerInnen unterschiedlich lang. Wir haben jedes Mal zwei komplette aktive Durchgänge geschafft.

Wie wollen ein eigenes Video drehen

Unser gemeinsames Ziel war nach gut zwei Wochen so gut zu sein, dass wir von uns selber ein Video drehen konnten. Und das haben wir geschafft. Die meisten waren natürlich aufgeregt, fast alle trugen, wie Udo Lindenberg und die gebärdenden Familien im Film, irgendeine Art von Kopfbedeckung. Und wir hatten einen Riesenspaß, besonders auch, als wir unser eigenes Video angeschaut haben.

Therapeutische Ziele waren: Spaß miteinander haben, sich als Gruppe erleben, gemeinsam an einem Projekt arbeiten, Erweiterung der individuellen Ausdrucksmöglichkeiten.

Ziele? Alle erreicht, und noch viel mehr.

Letztlich ist unser Projekt, aus verschiedenen – zufälligen – Gründen, gänzlich ohne aktive Beteiligung von Menschen mit Down-Syndrom verlaufen. Doch wir verdanken es ihnen und der Elterninitiative “Singfinger”, die durch ihre motivierende und professionelle Arbeit es bis in die Sendung mit der Maus geschafft haben – und nicht zuletzt Dir Udo, meisterhafter Wort und Reime findender Musiker, soundtrack meiner Jugend. 

Die Praktikantinnen gebärdeten und ich habe in erster Linie die BewohnerInnen direkt unterstützt/integriert.

Kinotipp

Übrigens, es gibt auch Menschen mit Down-Syndrom und Hochschulabschluss. Das erzählt der Kinofilm “Yo también” oder “Me too – Wer will schon normal sein?” (Regie: Álvaro Pastor Gaspar und Antonio Naharro, Spanien, 2010) – ersDOWNlich!

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Joachim Finger

Joachim Finger, Diplom-Musiktherapeut (FH), früher Krankenpfleger, Studium in Heidelberg, Zivildienst und erste Stelle als Musiktherapeut in der Psychiatrie (Frankenthal), seit 1995 im Sonnenhof. Zusatzqualifikationen: EBQ bei Karin Schumacher, Claudine Calvet und Silke Reimer in Berlin, befähigt nach der Lichtenberger Methode angewandte Stimmphysiologie zu unterrichten (Studiengang), Traumapädagogik (Universitätsklinikum Ulm), Musik-imaginative Schmerzbehandlung (MusiS) am freien Musikzentrum München, DMtG-zertifiziert seit 2012. Email: joachim.finger@diakoneo.de. Joachim Finger ist Ansprechpartner für den Arbeitskreis Musiktherapie mit geistig behinderten Kindern.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ulrike Haffa-Schmidt

    Ich gestehe: mir sind die Tränen bei diesem berührenden Film gekommen. Was für fantastische, sympathische, kreative und witzige Menschen!
    Danke für die Teilhabe an deinem wunderbaren und erfolgreichen Projekt; ich wünsche dir die Möglichkeit, noch viele weitere realisieren zu können.
    Liebe Grüße Ulli

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