Ein Interview mit Dr. Corene Thaut von Bettina Eichmanns.
Die Neurologic Music Therapy (NMT, Neurologische Musiktherapie) wurde 1999 als klinische Umsetzung der am Center for Biomedical Research in Music der Colorado State University und am Institut für Neurorehabilitation der Medizinischen Hochschule Düsseldorf durchgeführten Forschung von einer Gruppe von fünf Forschern und Klinikern entwickelt: Michael Thaut PhD, Gerald McIntosh MD, Volker Hoemberg MD, Corene Thaut PhD und Ruth Rice DPT.
Neurologische Musiktherapie definiert sich als „therapeutische Anwendung von Musik auf kognitive, sensorische und motorische Funktionen, die durch neurologische Erkrankungen des menschlichen Nervensystems bedingt sind.“ Die wichtigste Maxime: Neurologische Musiktherapie ist forschungsbasiert. Aber wie genau funktioniert die Anwendung der NMT im musiktherapeutischen Setting? Wie arbeitet die Academy of Neurologic Music Therapy? Bettina Eichmanns hat anlässlich des anstehenden NMT Trainings (20.-23. Juli 2023, Medical School Hamburg, Anmeldung und Infos siehe unten) mit Corene Thaut, einer der Mitbegründerinnen der Akademie, gesprochen.
In der Geschichte der musiktherapeutischen Methoden führte die praktische Erfahrung von einigen Pionieren unseres Fachs dazu, dass sich ihre individuellen klinischen Methoden zu einem Referenzmodell für andere Musiktherapeut:innen entwickelten. Die NMT wird als forschungsgeleitet beschrieben. Was hat die Gruppe der Gründungsforscher:innen dazu motiviert, gerade diese ersten Forschungen durchzuführen, auf der die NMT basiert?
Es stimmt, dass viele musiktherapeutische Interventionen auf anekdotischen Beobachtungen beruhten, auf Dingen, die Musiktherapeut:innen in ihrer klinischen Arbeit erlebt haben. Man sieht Reaktionen, aber es ist schwierig, konsistente Resultate zu bekommen. Man verlässt sich auf die Kraft der Musik, um eine Veränderung herbeizuführen. Was uns in der NMT ursprünglich motiviert hat, war, dass wir in unserer Forschung die tiefgreifenden Auswirkungen beobachtet haben, die Musik und insbesondere Rhythmus auf die Bewegung haben können. Wir fragten uns: Wie können wir diese Beobachtungen an Musiktherapeut:innen weitergeben? Wir waren überzeugt davon, dass unsere Erkenntnisse in die Hände der Kliniker gelangen müssen, damit sie ihren Patient:innen helfen können, sich besser zu bewegen.
Als ich studierte, war ich nicht sicher, ob ich in diesem Feld (Musiktherapie) bleiben würde. Ich wollte Dinge tun, die ich verstehe, und die zu konsistenten Ergebnissen führen. Die NMT-Techniken basieren auf unseren Kenntnissen darüber, wie Musik das Verhalten des Gehirns beeinflusst, und zwar auf der Grundlage der Musikwahrnehmung, der Musikproduktion und der Musikkognition. So können wir Anwendungen entwickeln, die zu konsistenten therapeutischen Ergebnissen führen. Für mich war es genau das, was ich brauchte. Ich wollte sicher sein, dass ich Patient:innen wirklich helfen kann, ohne zu rätseln: was könnte funktionieren, was nicht?
In einem der Erfahrungsberichte auf Ihrer Webseite wird Dr. Michael J. Grey von der University of East Anglia zitiert: “Ich war wirklich beeindruckt, wie gut die NMT den grundlegenden Prinzipien der Neuroplastizität folgt.” Könnten Sie die Prinzipien der Neuroplastizität beschreiben und wie NMT mit diesen Eigenschaften arbeitet?
Ich kann es aus meiner eigenen Perspektive beschreiben. Zunächst gingen wir davon aus, dass wir nur bis zu einem bestimmten Alter im Gehirn neue neuronale Verbindungen, oder Synapsen, schaffen können. Das bedeutete, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rehabilitation viel größer ist, wenn man vor Mitte zwanzig eine Schädel-Hirn-Trauma erleidet. Heute wissen wir, dass selbst Erwachsene in ihren Fünfzigern oder Sechzigern noch neue Verbindungen im Gehirn bilden, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, indem sie Funktionen auf unterschiedliche Weise abrufen. Das Potential der Musik dabei ist, dass sie viele Parallelen zu Dingen aufweist, die wir nicht musikalisch tun. Sie geht einen neuen Weg, indem sie andere Bereiche im Gehirn aktiviert. Genau darin besteht für uns Musiktherapeut:innen oder NMTs der Vorteil der Neuroplastizität. Mit Musik können Funktionen trainiert werden, die durch eine Hirnverletzung, oder durch eine Krankheit wie Parkinson verloren gegangen sind.
Es wurde bereits in der Forschung bestätigt, dass sich Menschen mit Demenz oder Alzheimer an den Text eines ihnen bekannten Liedes erinnern können. Vergessene Informationen über Familie oder ihren Wohnort holen sie so wieder in ihre Erinnerung zurück. In einer kürzlich durchgeführten Studie aus unserem Forschungslabor hörten die Teilnehmer ihnen unbekannte Musik. Wir stellten fest, dass es eine kortikale Plastizität gibt, selbst wenn sich das Gehirn in einem degenerativen Prozess befindet, und dass wir auch durch unbekannte Musik neue Bahnen im Gehirn aktivieren können.
Einige musiktherapeutische Methoden, die den Namen ihrer Schöpfer tragen, wurden ursprünglich in einem bestimmten klinischen Bereich entwickelt, zum Beispiel Mary Priestleys analytische Musiktherapie, die ORFF-Musiktherapie, Nordoff-Robbins, Benenzon. Gibt es einen klinischen Bereich, in dem sich die NMT als besonders wirksam erwiesen hat?
In der NMT betrachten wir unsere Arbeit nicht als zielgruppenbezogen, sondern als funktionsbezogen, wie es in dieser Grafik gezeigt wird.
Dieses Bild beschreibt die Ausgangsfrage, die wir uns stellen: Was wissen wir über das menschliche Gehirn, und darüber, wie wir Musik wahrnehmen und verarbeiten? Anstatt über Patientengruppen sollten wir darüber nachdenken, woran eine Person arbeiten muss. Ob Parkinson, Schlaganfall, oder Autismus – wir wollen herausfinden, ob sie Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis, der Aufmerksamkeit oder der motorischen Kontrolle hat; mit der Emotionsregulierung oder dem affektiven Ausdruck? Davon ausgehend überlegen wir, wie Musik Veränderungen in diesen Bereichen bewirken kann.
Musik hat viele Eigenschaften: Takt, Rhythmus, Melodie, Harmonie. Und all diese Parameter können eine Rolle spielen, je nachdem, welches Ziel wir verfolgen. Wenn wir an der motorischen Kontrolle arbeiten, verwenden wir manchmal nur ein Metronom. Ist dies Musik, oder eine wahrnehmbare Eigenschaft von Musik? Wenn man dem Rhythmus eine Melodie, eine Harmonie oder eine Dynamik hinzufügt, kann ein zusätzlicher Anhaltspunkt geschaffen werden. Wir beginnen also immer mit der Frage danach, woran Klient:innen arbeiten müssen, unabhängig von der Diagnose.
Es könnte ein komplexes Trauma vorliegen, bei dem man traditionell denkt, dass wir uns auf die Emotionen konzentrieren müssen. Aber vielleicht hat er/sie aufgrund dieses Traumas Aufmerksamkeits- oder Sprechfähigkeiten nicht wieder entwickelt, oder es bestehen Schwierigkeiten bei der Problemlösung im Bereich der Exekutiven Funktionen (Anm. zu diesen gehören auch Initiative, oder das Setzen von Zielen, zum Beispiel). Viele musiktherapeutische Ansätze basieren auf emotionalem Wohlbefinden, sie konzentrieren sich stark auf die psychosozialen Aspekte, wie Musik eine Beziehung zum Klienten in diesem Moment herstellen kann. Natürlich entwickelt ein NMT auch eine therapeutische Beziehung zum Klienten, aber man geht noch einen Schritt weiter. Wir überlegen, wie Musik Funktionen effektiv verändern kann, und welche musikalischen Parameter dabei besonders wichtig sind?.
Bei der klinischen Anwendung von Methoden oder theoretischem Wissen sind wir mit einer komplexen Realität konfrontiert, die keinem Handbuch folgt. Wie gehen NMT-Ausbildungen mit der Notwendigkeit um, auf individuelle, vielfältige Bedürfnisse von Klienten zu reagieren, auf neurologische Beeinträchtigungen, die z. B. durch emotionale Blockaden, Depressionen oder Traumata begleitet sind?
Es ist entscheidend, mit Klienten eine Beurteilung (assessment) vorzunehmen, damit man ein Gesamtbild dessen entwickelt, was in ihnen vorgeht. Das gilt für jeden Therapeuten: Sie wollen herausfinden, warum sie das sehen, was Sie sehen. Hat es mit einer Hirnverletzung zu tun oder mit einem emotionalen Trauma? Dann überlegen wir, was wir zuerst angehen müssen, um ihnen zu helfen. Anders als in den meisten Musiktherapiemethoden führen wir Bewertungen von Funktionen durch, die nicht auf Musik basieren, um zu verstehen, wie der Klient in seinem täglichen Leben agiert.
Was ist mit Personen mit schweren Schädel-Hirn-Traumata, die Jahre, manchmal mehr als ein Jahrzehnt, zurückliegen, oder mit Personen mit fortgeschrittener ALS. Diese Klienten sprechen nicht, manchmal kommunizieren sie nur über Augenbewegungen oder einen Finger. Verfügt die NMT über Techniken für sie?
Ja, absolut. Wichtig ist, dass wir die individuellen Bedürfnisse jedes Klienten beurteilen. Ich habe die Erfahrung gemacht – und damit komme ich auf die Frage der Neuroplastizität zurück – dass Menschen zur Musiktherapie geschickt werden als letzte Hoffnung, irgendeine Art Reaktion von ihnen zu bekommen. Als Therapeutin dachte ich zunächst: Ich weiß nicht, ob ich etwas für diese Person tun kann. Mit der Zeit habe ich erkannt, dass Patient:innen aufgrund meines Wissens über Musik und darüber, wie sie Veränderungen im Gehirn bewirken kann, Fähigkeiten zur Veränderung entwickeln konnten. Das ist eine große Herausforderung für uns.
Ein Fallbeispiel: In den letzten Jahren hatte ich einen Klienten, der im Alter von 60 Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte und keine verbale Sprache mehr hatte. Nach einer ersten Beurteilung reagierte er auf erstaunliche Weise auf NMT. Wir führten eine Intonationstherapie durch, und sein Sprachvermögen verbesserte sich rapide. Dieser Herr wusste nicht, dass er singen konnte – aber er konnte es. Das hat sein Leben verändert. Wir nutzten diese Fähigkeit, um funktionale Dinge zu lernen und zu kommunizieren, selbst wenn es sich nur um “Ich brauche Hilfe”, “Lass uns einen Kaffee trinken gehen”. Diese Fähigkeit war für ihn unendlich wichtig – nachdem er fünf Jahre lang stumm gewesen war.
Ist ein Musiktherapie-Abschluss erforderlich, um die musikbasierten Techniken der NMT anzuwenden?
Da alle Techniken auf Musik basieren, dachten wir an die naheliegendste Berufsgruppe, die Musik wirklich versteht und über die Improvisationsfähigkeiten und die klinisch-therapeutischen Fähigkeiten verfügt, die in Musiktherapieprogrammen vermittelt werden. Aber die Techniken sind funktionsbezogen, so dass Physiotherapeuten sie nutzen können, um an der Mobilität und am Gang ihrer Patienten arbeiten. Eine unserer am besten erforschten Techniken, die in den USA und in Kanada als Best Practice für die Schlaganfallbehandlung anerkannt ist, ist die Verwendung von Rhythmus für das Krafttraining. Das ist etwas, das Physiotherapeuten in der Ausbildung lernen, und wir halten oft Vorträge auf ihren Konferenzen. Warum sollten wir diese bewährte Praxis auf NMTs beschränken? Für Logopäd:innen und Sprachtherapeut:innen gibt es eine Reihe von Techniken, die äußerst effektiv sind und die sie anwenden können, ohne zu singen oder Gitarre zu spielen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein multidisziplinäres Team von Therapeut:innen gemeinsam an den Schulungen teilnehmen.
Ist ein abgeschlossenes Musikstudium für eine ausreichende Zugangsvoraussetzung zum NMT Training?
Musiker verfügen nicht über das therapeutische Wissen, sie haben z.B. keine Populationen studiert. Aber es gibt Musikpädagog:innen, die die Ausbildung machen. Wenn sie eine Musikschule betreiben, haben sie oft Schüler mit Autismus oder besonderen Bedürfnissen und wollen mehr darüber wissen, wie sie ein Projekt entwickeln können, um ihnen zu helfen.
Die NMT-Ausbildung lehrt standardisierte musikbasierte Interventionen. Wie stehen Sie zu Aussagen wie der auf der Nordoff-Robbins-Website (Einleitung): “Dies ist keine Methode – es geht vielmehr um die Kultivierung einer musikalischen Haltung, die das Potenzial in jedem Menschen erkennt”, oder dieser von Benenzon in seinm neuesten Buch “Die Ethik des Nonverbalen”, sein Ansatz sei “keine klinische Methode, sondern eine Philosophie des Therapeutendaseins”? Sind diese Grundgedanken für NMT-Musiktherapeuten nützlich, um die standardisierten Techniken an den spezifischen therapeutischen Prozess anzupassen, mit dem sie konfrontiert sind, oder könnten sie auch hinderlich sein?
Ich persönlich würde einem Musiktherapeuten, der nicht auch NMT ist, nicht vertrauen. Ich hatte Kontakt mit anderen Ansätzen, aber ich hatte das Gefühl, dass sie meine Persönlichkeit hinterfragten, obwohl ich mich gut fühlte.
Würden Sie sagen, dass NMT bei Menschen, die psychische Probleme haben, aber keine neurologisch bedingten körperliche Beeinträchtigungen, ebenso wirksam ist?
Es gibt viele Überschneidungen zwischen psychosozialen Aspekten und der Kognition. So haben Menschen mit Schizophrenie oder Depressionen oft Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit oder mit Exekutiven Funktionen. Es gibt NMT-Interventionen im kognitiven Bereich, die an diesen Dingen arbeiten. Wir haben auch eine NMT-Technik, die sich ‘Musikalisches psychosoziales Training und Beratung’ nennt. Hier geht es um Musikwahrnehmung, Musikkognition, Musikproduktion und darum, zu verstehen, wie wir musikalische Strukturen nutzen, um psychologische Ziele zu erreichen.
Ich verwende oft einen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz, um den Klienten zu helfen, sich ihrer kognitiven Verhaltensweisen bewusst zu werden und zu erkennen, wie sie diese einsetzen und bestimmte Entscheidungen treffen können. Wir üben mit Musik, eine musikalische Situation zu organisieren, und helfen ihnen zu erkennen, wie sie etwas ähnliches in ihrem Alltag tun, damit sie sie in ihrem täglichen Leben anwenden können. NMT ist also nicht nur körperliche Rehabilitation, sondern auch Sprachtherapie, kognitive Techniken und Techniken, die den psychosozialen Aspekt behandeln.
Es gibt mehrere Stufen im NMT-Ausbildungsprozess. Können Sie beschreiben, was erforderlich ist, um Neurologischer Musiktherapeut (NMT), NMT Fellow (NMT-F), NMT Allied Professional (NMTAP), NMT Allied Professional Fellow (NMTAP-F), NMT Scholar, NMT Educator und NMT Student zu werden?
Die erste NMT-Ausbildung dauert vier Tage. Sie erlernen die Techniken, werden Mitglied der Akademie, aber nur wenn Sie Musiktherapeut mit einer zertifizierten Ausbildung sind, werden Sie Neurologischer Musiktherapeut, ansonsten werden Sie ein NMT Allied Professional. Wir bieten berufliche Entwicklung und Weiterbildung für alle NMT-Mitglieder an. Alle fünf Jahre müssen Sie fünfzig Fortbildungspunkte sammeln. Das Modell basiert auf Best-Practice-Standards, es ist forschungs- und wissensbasiert und verändert sich daher ständig. Wir verstehen immer mehr über das Gehirn, und das bestimmt, wie wir praktizieren. Wir veranstalten internationale Treffen online (wir haben Menschen in 68 Ländern geschult). Wir diskutieren aktuelle Forschungsergebnisse, beantworten Fragen, besprechen Techniken und halten Präsentationen, um unser Wissen und unsere Arbeitsweise zu verfeinern. Die Sitzungen werden aufgezeichnet, so dass alle Mitgliedsorganisationen sie jederzeit verfolgen können (je nach Zeitzone). Für diejenigen, die es wünschen, gibt es die NMT-Fellowship-Schulung, bei der Sie Ihre klinische Arbeit zur Begutachtung durch Kollegen vortragen. Ihre Kollegen geben Ihnen Feedback und stimmen ab, ob Sie die nächste Stufe erreicht haben. Es gibt NMT scholars (Wissenschaftler), die nicht klinisch arbeiten, aber auf Ihrem Gebiet publizieren. Es gibt NMT educator (Dozent:innen), die an Universitäten NMT unterrichten. Dann haben wir NMT allied professional (NMT Kliniker) und NMT Studierende.
Akzeptieren Sie Fortbildungspunkte (credits) von anderen Organisationen?
Ja, sie können aus Kursen anderer Anbieter stammen, aber sie müssen relevant sein um sich als evidenzbasierter Praktiker weiterzubilden. Sie können auch Credits doppelt verwenden, die Sie für andere Berufsverbände nutzen.
Gegenwärtig sind über 3.000 NMT-Mitglieder in der Liste auf Ihrer Website aufgeführt. Was ist Ihre Vision für die Zukunft der NMT-Akademie und die klinische Anwendung der NMT? Was muss noch getan werden?
Wir haben über 6.000 Menschen ausgebildet und haben fast 4.000 Partner, die das Modell praktizieren. Es ist sehr wichtig, die Ausbildung von Neurologischen Musiktherapeuten fortzusetzen, damit wir Musiktherapeuten erreichen und diese ihren Klienten helfen können. Dazu brauchen wir mehr NMT Dozenten, die NMT unterrichten. Erst hielten mein Mann (Michael Thaut) und ich die Ausbildungen, jetzt ist die Akademie gewachsen und wir haben Partner auf der ganzen Welt, die als Akademieleiter Ausbildungen organisieren.
In welchem Bereich besteht der größte Bedarf an mehr Forschung und/oder klinischer Arbeit?
Wir können in allen Bereichen noch viel mehr lernen. Ein Gebiet, auf dem wir gerade verstärkt forschen, sind psychiatrische Störungen und die Bedeutung der kognitiven Komponente in diesem Bereich. Wenn wir Aufmerksamkeitstraining und Training der Exekutiven Funktionen mit Musik durchführen, wollen wir herausfinden, ob wir damit zum Beispiel das Selbstmordrisiko senken können. Hierzu sind wir gerade an einer Studie beteiligt. In der Forschung besteht ein großes Interesse nicht nur an Musik, sondern auch daran, psychiatrische Populationen besser zu verstehen, mehr Zusammenhänge zwischen kognitiven Funktionen und der psychosozialen Komponente herzustellen und herauszufinden, wie wir diese in der Therapie behandeln können.
Wir versuchen, die traditionelle Musiktherapie und die NMT nicht zu vergleichen, beide haben ihren Zweck. Aber NMT ist wirklich anders – es ist ein anderes Feld.
Frau Dr. Thaut, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Das nächste Neurologic Music Therapy Training in Deutschland findet vom 20. bis 23. Juli 2023 an der Medical School Hamburg (Campus Harburger Binnenhafen Schellerdamm 22, 21079 Hamburg) statt. Hier geht es zur Anmeldung. Die Veranstaltung ist von der DMTG mit 38 Fortbildungspunkten akkreditiert. Ausführliche Angaben über die Regelung der Zertifizierung zum Neurologic Music Therapist gibt es unter mit-musik-geht-reha-besser.de/nmtseminar.
Weitere Informationen über NMT und über Trainingsmöglichkeiten auf der Webseite der The Academy of Neurologic Music Therapy: nmtacademy.co
Corene P. Hurt-Thaut. Master und PhD in Musiktherapie an der Colorado State University, dort später Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center for Biomedical Research in Music. Seit 1997 Mitbegründerin und Programmdirektorin der Academy of Neurologic Music Therapy. Derzeit Assistenzprofessorin an der University of Toronto und außerordentliche Professorin an der ArtEZ School of Music. Klinische Tätigkeit an diversen Reha-Zentren sowie in privater Praxis mit den Patientengruppen Schlaganfall, Parkinson, traumatische Hirnverletzungen, Zerebralparese, Multiple Sklerose, Alzheimer, Autismus und psychiatrische Störungen. Ehem. Präsidentin und Vizepräsidentin (Midwestern Region) der American Music Therapy Association (AMTA). Zahlreiche Forschungspublikationen und internationale Lehrtätigkeit.