Filmrezension Musikfilme aus musiktherapeutischer Sicht vonHaffa-Schmidt Back

Die zwei von der Filmstelle:
“La Singla”

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Wenn die beiden Musiktherapeutinnen Christine Back und Ulrike Haffa-Schmidt in Nürnberg ins Kino gehen, setzen sie ab und zu ihre Musiktherapeutenbrille auf. Dabei entdecken sie immer wieder interessante Berührungspunkte zu ihrem Berufsfeld.

La Singla

  • Kinostart: 02. November 2023
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Dauer: 95 Minuten
  • Regie und Drehbuch: Paloma Zapata
  • Darsteller: Adelfa Calvo, Helena Kattani, Maria Alfonso Rossa, Antonia Singla
  • Genre: Dokumentation, Musikfilm
  • Produktionsland: Spanien, Deutschland

Schon wieder eine Doku?

Ja, ja und nochmal ja. Ohne große Erwartungen bin ich ins Kino gegangen, mit Vorurteilen und Klischees im Kopf („behindertes Mädchen aus armen Verhältnissen tanzt sich nach oben“) und der Befürchtung, dass es langweilig, kitschig und zäh werden könnte. Nichts davon trifft zu. Ganz im Gegenteil: selten habe ich in einem Film die Intensität eines Menschen, der Musik und der Körperlichkeit ihres Tanzes so intensiv erlebt. Und vorneweg: ich muss keine Flamencoexpertin sein, um das zu spüren.

Die Handlung: Elena (die einzige Schauspielerin in dem Film, gespielt von Helena Kattani), eine junge Tänzerin aus Sevilla, begibt sich auf Spurensuche von Antonia „La Singla“, einer Flamencotänzerin aus dem Armenviertel von Barcelona, die als Baby durch eine Infektion ihr Gehör verlor und mit 23 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in den 1960er Jahren spurlos verschwand.

Diese wahre Geschichte hört sich nun tatsächlich nicht besonders spektakulär an, aber schon das erste Foto von „La Singla“ packt mich. Ihr Blick berührt mich so tief, dass ich mehr über sie und ihre Geschichte wissen möchte und sehr langsam und vorsichtig nähert sich Elena der Tänzerin und der Person von „La Singla“ an. Das passiert über alte Fotos, Film- und Zeitungsausschnitte und Interviews mit Menschen, die der Künstlerin begegnet sind. Hört sich auch nicht spektakulär an, ist es aber.

Da gibt es Vieles, womit wir als Musiktherapeut*innen in Resonanz gehen: was fühlen, hören und sehen wir, wenn wir „La Singla“ als Kind, Heranwachsende und junge Frau tanzen sehen? Was macht das mit mir, wenn sie mich vom Foto aus anblickt und anlacht? Wie geht sie mit ihrer Behinderung um? Was erfahren wir über traumatische Erfahrungen in ihrem Leben und wie finden sie einen Weg in ihren Tanz?  Da gibt es großartigste Tanz- und Musikszenen, die sich in Herz und Hirn einbrennen, weil alles gleichzeitig schwingt: Freude am eigenen Körper und Ausdruck, Schmerz und tiefe Verzweiflung über das, was das Leben mit ihr macht und gemacht hat. Vielleicht berührt mich der Film deswegen so stark, weil ich durch meine langjährige berufliche Praxis sensibilisiert bin, auf das, was nicht gesprochen wird, sondern auf das, was ich sehe und höre und dann in mir wahrnehme. Die Stärke dieses Films ist, dass er nichts erklärt, sondern wir als Zuschauer*innen Teil der Musik, des Rhythmus, der Bewegung und ihres Innersten sind. Was für ein Geschenk.

Fazit: hat mich umgehauen!

Picture of Ulrike Haffa-Schmidt

Ulrike Haffa-Schmidt

Ulrike Haffa-Schmidt ist Musiktherapeutin, Lehrmusiktherapeutin (DMtG), Psychoonkologin, Heilpraktikerin mit eigener Praxis und Tätigkeit in der Onkologie, Palliativstation und Psychosomatik am Klinikum Nürnberg. Mitglied im Berufsständischen Beirat der DMtG und Delegierte der DMtG für die BAG-Musiktherapie. www.musiktherapie-nuernberg.de

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