In der Musiktherapie treffen wir immer wieder auf Instrumente, Die auf pentatonischen Skalen basieren. Mitunter wählen wir solche Instrumente bewusst aus. So basiert auch die Koto der Kotamo von Naturtonmusik Instrumentenbau meist auf einer Pentatonischen Skala.
Anhemitonische Pentatoniken
Wenn wir an Pentatoniken denken, dann meinen wir (leider, doch dazu später mehr) oft nur sogenannte “anhemitonische Pentatoniken”. Es stimmt aber nicht, dass eine Pentatonik durch das Fehlen von Halbtonschritten definiert ist. Tatsächlich bezeichnet eine „Pentatonik“ zunächst nichts weiter als die Einteilung eines Oktavraums in fünf Schritte, unabhängig von den Tonabständen.
„Anhemitonische“ Skala bedeutet , dass die Skala keine Halbtonschritte enthält. Die bekanntesten Vertreter sind die bei uns als „Pentatonik Modus 1, 2, 3, 4 und 5“ benannten Skalen. Die Töne dieser Modi entsprechen der Schichtung von Quinten übereinander, dargestellt innerhalb eines Oktavraums (sowie mögliche Umkehrungen). So erhalten wir schematisch folgende Halbtonschritte. Fett markiert die im Foto visuell dargestellten, sowie in den Hörbeispielen zu hörenden, Skalen:
- Modus 1/ 2 – 2 – 3 – 2 – 3
- Modus 2/ 2 – 3 – 2 – 3 – 2
- Modus 3/ 3 – 2 – 3 – 2 – 2
- Modus 4/ 2 – 3 – 2 – 2 – 3
- Modus 5/ 3 – 2 – 2 – 3 – 2
Das KoTaMo von Joachim Marz
Alle Skalen in den Hörbeispielen sind auf dem Koto eines Kotamos von Naturtonmusik Instrumentenbau mit Grundton D gespielt.
Was ist ein KoTaMo?
KoTaMo - weitere Infos
Weitere Möglichkeiten
Eine weitere Variante von anhemitonischen Pentatoniken ist eine nicht auf der Schichtung von Quinten basierende Skala, so dass die kleinen Terzen direkt hintereinander zu liegen kommen, wie in diesen Beispielen.
- 3 – 3 – 2 – 2 – 2
- 2 – 3 – 3 – 2 – 2
- 2 – 2 – 3 – 3 – 2
- 2 – 2 – 2 – 3 – 3
- 3 – 2 – 2 – 2 – 3
Auch hier sind die im Bild visuell dargestellten, sowie in den Audiobeispielen zu hörenden, Skalen fett markiert. Manche dieser Skalen klingen zuerst ungewohnt (in meinen Ohren insbesondere 2 – 3 – 3 – 2 – 2). Sie sind aber alle sehr interessant und unbedingt auszuprobieren!
Worum es mir in diesem Beitrag geht, ist neben den erweiterten Möglichkeiten anhemitonischer Pentatoniken die noch viel größeren Möglichkeiten aufzuzeigen, welche durch den Einbezug von Halbtonschritten entstehen. Und ganz besonders möchte ich zum Experimentieren anregen!
Hemitonische Pentatoniken
„Hemitonisch“ bedeutet, dass Halbtöne vorhanden sind. Nun lassen sich mittels gedachtem Baukastensystem allerlei Kombinationen erstellen. Doch wie das so ist in der Musik: eigentlich ist nichts neu, fast alles wird irgendwo auf der Welt schon so gehandhabt. So auch allerlei anhemitonische pentatonische Skalen.
Wo diese Skalen herkommen, soll hier nicht im Mittelpunkt stehen – denn viele Pentatoniken finden sich bezüglich der Halbtonschritte teils an ganz unterschiedlichen Punkten auf der Erdkugel. Erwähnen will ich hier insbesondere die Koto-Skalen aus Japan sowie das äthiopische Kinit-Skalensystem. Unterschiede zeigen sich natürlich in traditionell definierten Grundtönen oder der Stimmung (quintenrein oder gleichstufig).
Doch ich konzentriere mich hier auf die Darstellung der Halbtonschritte, wodurch die Skalen auf allen möglichen Grundtönen basierend adaptiert werden können. Auf die Halbtonschritte reduziert ist eine Zuordnung auch nicht mehr wirklich sinnvoll – wie bereits erwähnt, in der Musik ist alles mehrfach zu finden an verschiedensten Orten der Welt.
Auch beschränke ich mich hier auf Skalen, die die Quinte beinhalten, da z.B. bei einem Kotamo die Tambura in den meisten Fällen die Quinte beinhaltet. Auch hier fett markiert die im Bild visuell dargestellten sowie in den Hörbeispielen zu hörenden Skalen.
- 2 – 1 – 4 – 1 – 4
- 1 – 4 – 2 – 3 – 2
- 4 – 1 – 2 – 4 – 1
- 3 – 3 – 1 – 3 – 2
- 2 – 3 – 2 – 1 – 4
- 1 – 4 – 2 – 1 – 4
- 2 – 1 – 4 – 2 – 3
- 4 – 2 – 1 – 4 – 1
- 3 – 3 – 1 – 4 – 1
Und natürlich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten! Ich hoffe, das Lesen und Hören hat Interesse geweckt, sich vermehrt mit hemitonischen Pentatoniken zu befassen. In meinen Augen sind diese Skalen für die Arbeit in der Musiktherapie außerordentlich geeignet, da sie zu den zumeist als leicht zugänglich empfundenen Skalen gehören und zum Improvisieren einladen. Zugleich bieten sie durch mögliche Dissonanzen und Leittöne musikalisch und damit auch im Ausdruck und in der Reflektion erweiterte Möglichkeiten.
Weitere Pentatoniken
Neben den in das Zwölftonsystem einzuordnenden Skalen finden wir auch noch weitere Skalen, aus welchen nicht selten Pentatoniken herausgearbeitet werden.
So findet sich in der thailändischen Musik ein Tonsystem, welches den Oktavraum in sieben gleiche Stufen unterteilt, es ergeben sich ca. 171cent als Tonabstand. Dargestellt in Form von Abweichungen in cent zu den nächsten Halbtonschritten gleichstufiger Stimmung:
2(-29) – 1(+43) – 2(+14) – 2(-14) – 2(-43) – 1(+29) – 2
Die hieraus gebildete Tonleiter bildet die Grundlage für diverse Pentatoniken.
Ein weiteres bekanntes Beispiel sind die Skalen der indonesischen Gamelan-Orchester. Hintergrund dieser Tonskalen sind hier Instrumente, welche eine andere Obertonschichtung als z.B. Saiten oder Luftsäulen (hier haben wir ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz als Obertöne hörbar) aufweisen. Dadurch weisen andere Intervalle (als die im westlichen Zwölftonraum gebräuchlichen) gemeinsame Vielfache (im hörbaren Bereich) auf. Gut bekannt ist Slendro, hier in der in diesem Blogbeitrag mittlerweile vielleicht schon gewohnten Darstellung:
2(+28) – 3(-16) – 2(+28) – 3(-40) – 2
Interessante Skalensysteme finden sich auf der ganzen Welt. Sie sind entweder pentatonisch aufgebaut, oder es können aus ihnen Pentatoniken herausgearbeitet werden. Auf allen Kontinenten der Erde entstanden die verschiedensten, hochinteressanten musikalischen Kulturen. Ein riesiger Fundus, auf den wir Musiktherapeut:innen zurückgreifen dürfen!
Alle Fotos: Martin Kucera/ Naturtonmusik Instrumentenbau
Dieser Beitrag hat 6 Kommentare
Danke für die Infos und Klangsbeispiele. Ich gestalte seit über 20 Jahren ein Mitmach- Orchester mit pentatonischen Instrumenten für Kinder und Erwachsene, erlebe eine grosse Bandbreite von totalem Chaos (wenn viele sehr kleine Kinder mitmachen, ist dann aber immer noch pädagogisch sehr wertvoll) bis zu wunderbarer Musik mit Happening- Charakter. Mehr dazu auf meiner Seite http://www.klangspielwiese.de. Im Zelt und in unserem Musiktreff nutze ich mal die E- , mal die F- Stimmung (siehe unten). In meinen Strassenmusik- Jahren (ca. 20 Jahre lang regelmässig) habe ich meine pentatonischen Stringboards immer wieder umgestimmt, z. B. (die letzten Jahre)
C- D- E- G- A- C, weiter zu C- D- F- G- A- C, weiter zu C- Dis- F- G- Ais- C .
Herzlichen Gruss Walter von Lingen/ Musikzelt Klangspielwiese/ Musiktreff Klangspielstube
Lieber Herr von Lingen, vielen Dank für Ihren Kommentar und den schönen Kurzbericht über Ihre Klangspielwiese. Wenn Sie dazu einmal einen gesonderten Beitrag in unserer Kategorie Instrumente veröffentlichen möchten, mit Fotos, Videos oder Hörbeispielen, gerne!
Guten Tag Herr von Lingen,
wie ich auf Ihrer Homepage gesehen habe besitzen Sie ein Kotamo von einem Schweizer Instrumentenbauer – das wird bestimmt ein älteres Modell meines Vorgängers bei Naturtonmusik Instrumentenbau sein. Was die Stimmungen betrifft, so war mir im Beitrag vorallem wichtig, die Menschen dazu zu inspirieren, nicht nur anhemitonische Pentatoniken, sondern auch hemitonische Pentatoniken zu verwenden. Mit dem Kotamo haben Sie ja die wunderbare Möglichkeit, damit zu experimentieren! 😉
Sehr interessanter Artikel – ich selbst baue und spiele sogenannte nordamerikanische indianische Flöten in der 2-Kammer Bauweise. (www.siyotanka.de) Auch bekannt als Native American Flute oder Siyotanka wie diese Flöten bei den Lakota genannt werden. Diese sind heute meist mollpentatonisch vorgestimmt, weshalb sie sich hervorragend zum freien intuitiven Spielen eignen. Ich beschäftige mich daher auch schon länger mit Pentatoischen Skalen und mag auch sehr die orientalischen und asiatischen Pentatoniken mit Halbtönen. Ich hab mal ausgerechnet wieviele verschiedene Pentatonische Sklalen es insgesamt gäbe.
Ausgehend von der westlichen 12 Ton Skala (C, C#, D, Eb, F, F#, G, G#, A, Bb, B, C) gibt es insgesamt 792 Kombinationsmöglichkeiten, wenn die Töne nicht gleichmäßig verteilt sind und Gruppen mit aufeinanderfolgenden Halbtönen erlaubt sind. Wenn man mit einem einzelnen Ton beginnt, stehen 4 Noten unter elf zur Auswahl. Das ergäbe dann theoretisch 330 pentatonische Kombinationen. Aber natürlich sind nicht alle Kombinationen musikalisch wohlklingend und sinnvoll. Aber immer noch eine ganze Menge 🙂
Lieber Herr Friedling! Vielen Dank für den inspirierenden Einblick in die Skalen der Siyotanka! Herzlichst, Bettina Eichmanns
Danke für das feedback! Genau, die Welt der möglichen Pentatoniken ist sehr gross, und die Definition der Sinnhaftigkeit ist eben; eine Defninitionsfrage. Ich für meinen Teil finde es sehr spannend, weit über den Tellerrand der Modi 1-5 hinauszublicken, daherkommend mein Beitrag hier.
Bauen Sie die Flöten auch mit hemitonischen Skalen? (Ich wollte Ihr hp aufrufen, doch mit versch. Rechnern und versch. damit laufenden Schutzprogrammen wurde die hp leider überall als Sicherheitsrisiko eingestuft)