Wenn die beiden Musiktherapeutinnen Christine Back und Ulrike Haffa-Schmidt in Nürnberg ins Kino gehen, setzen sie ab und zu ihre Musiktherapeutenbrille auf. Dabei entdecken sie immer wieder interessante Berührungspunkte zu ihrem Berufsfeld.
Every Note You Play
- Erscheinungsjahr: 2025
- Dauer: 85 Minuten
- Autor und Regie: Mika Kaurismäki
- Genre: Musik-Dokumentarfilm
- Kamera: Jörg Adams, Sabine Panossian
Mit Musik gemeinsam unterwegs sein
Every note you play – na, das ist doch mal ein Filmtitel, der Musiktherapeut:innen in die Kinos locken kann. Also, Ulli und ich waren uns jedenfalls schnell einig: in den Film müssen wir hinein. Warum? Naja, weil der Blick auf „jede Note“, die unsere Patient:innen „spielen“ doch das Herzstück musiktherapeutischer Arbeit ist und wir beide ja nun schon seit mehreren Jahren, wie Sherlock Holmes und Watson unterwegs sind, interessante Impulse für die Musiktherapie in Filmen zu entdecken. Davor gibt es aber noch die übliche Recherche Arbeit, die für unseren Blog ja auch immer notwendig ist. Also, dann schauen wir mal, was wir finden.
Zwischen den Rhein-Metropolen Düsseldorf und Köln liegt idyllisch das kleine Städtchen Monheim am Rhein. Dort haben der junge Bürgermeister Daniel Zimmermann und der Intendant Reiner Michalke die Monheim Triennale (monheim-triennale.de) ins Leben gerufen. Auf der Internetseite ist zu lesen: „Die Monheim Triennale ist ein dreijähriger Veranstaltungszyklus, bei dem stilübergreifend wegweisende künstlerische Positionen der aktuellen Musik hörbar werden und miteinander in Verbindung treten.“ Auf der Internetseite von jazzpages sind weitere Informationen über das Projekt zu finden.
So, z.B., dass, neben den Konzerten der KünstlerInnen, über die drei Jahre hinweg auch Kooperationsprojekte mit lokalen Bildungseinrichtungen laufen, Haus- und Mitsingkonzerte organisiert werden, bei denen sich auch die KünstlerInnen engagieren, dass eine Klangkunstausstellung im öffentlichen Raum installiert wurde, dass die „Monheim Papers“ das Festival journalistisch begleiten und es eine Buch-Veröffentlichung geben wird. Und jetzt, als weiteres Bonbon, gibt es den Film noch dazu. Und dafür konnte man keinen geringeren, als den finnischen Regisseur Mika Kaurismäki gewinnen, der bekannterweise ja ein besonderes Händchen für ganz spezielle Musikmomente hat.

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren
Mika Kaurismäki begleitet mit seinem Kamerateam für drei Tage die musikalischen und zwischenmenschlichen Begegnungen bei der zweiten Monheim Triennale im Sommer 2024 hinter und vor den Kulissen. Er schaut hin, jenseits von Perfektion und Hochglanzmusikvideos, ganz im Gleichklang mit den sechszehn MusikerInnen, die sich ohne Plan auf die Begegnungen der Töne einlassen.
Er stellt Fragen, öffnet den Musiker:innen einen Raum, um von ihren Hoffnungen, Motivationen und Erfahrungen mit ihrem persönlichen Musik Machen zu erzählen. Er fängt aber auch das Miteinander mit dem Publikum ein, zeigt SchülerInnen, die proben und dann auf der Bühne stehen, zeigt TeilnehmerInnen, die aufstehen und ihr „wichtiges“ Lied singen, in das die Profis und die Zuhörer mit einsteigen.
Das, was an Musik hörbar wird, ist kein Easy Listening. Es ist teilweise spröde, fordert, macht manchmal orientierungslos, nervt sogar. Aber, wenn man dann nicht aufsteht und aus dem Kino geht, kommt es zu den gewissen „Begegnungen der besonderen Art“. Wenn die junge Selendis S. A. Johnson mit spielerischer Natürlichkeit die Mitmusiker:innen fast tänzerisch ins Miteinander Musizieren lockt.
Wenn die Sängerin Ganavya Doraiswamy das Publikum spontan auffordert, einen Ton mitzusingen und unmittelbar eine fast mystische Atmosphäre entsteht. Wenn sie mit Shazad Ismaily eine live-Übertragung eines Fußballspieles spontan musikalisch begleitet.
Oder wenn Yuniya Edi Kwon die Verbindung von weiblich und männlich mit Geige und Stimme eruptionsartig in eine Kirche schmeißt. Das hat schon was. Und dann kommen bei den, ja immer nur punktuell zu hörenden Konzertausschnitten so Gedanken wie, schade, jetzt hätte ich eigentlich gern gewusst, wo das noch hingeht.
Auch wenn der Film ein bisschen etwas von einem Werbefilm für die Monheim Triennale hat, und mir, nach meinem Geschmack, ein wenig zu oft von der exquisiten einzigartigen Besonderheit einer musikalischen Begegnung gesprochen wird, so ist er doch ein spannendes Dokument für uns Musiktherapeut:innen.
Neben Aussagen, die man als Musiktherapeut:in nicht oft genug ins Bewusstsein bringen kann (Die Qualität einer Improvisation ist das Zuhören. Improvisation als ein Feld von Offenheit versus Erwartungen. In der Improvisation geht es auch um sich zuzumuten. Improvisation ist ein Weg zwischen sich einlassen und sich treu bleiben. Usw …), stellt das Monheimer Projekt ein tolles Beispiel dar für das, was gesellschaftlich mit Musik passieren und gelingen kann.
Unser Fazit: Durchaus sehenswert.
Tipps für demnächst anlaufende Filme
- The Ballad of Wallis Island
- That Orchester With The Broken Instruments
- Chaos und Stille