Filmrezension Musikfilme aus musiktherapeutischer Sicht vonHaffa-Schmidt Back

Die zwei von der Filmstelle:
“No Hit Wonder”

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Wenn die beiden Musiktherapeutinnen Christine Back und Ulrike Haffa-Schmidt in Nürnberg ins Kino gehen, setzen sie ab und zu ihre Musiktherapeutenbrille auf. Dabei entdecken sie immer wieder interessante Berührungspunkte zu ihrem Berufsfeld.

No Hit Wonder

  • Kinostart: 31. Oktober 2025
  • Dauer: 118 Minuten
  • Regie: Florian Dietrich
  • Darsteller:innen: Florian David Fitz, Nora Tschirner
  • Produktionsland: Deutschland
  • Genre: Kommödie, Drama

"Glück ist keine Kassenleistung"

One Hit Wonder Daniel Novak (Florian David Fitz), ein ehemals erfolgreicher Schlagersänger, landet nach einem Suizidversuch in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. Dort trifft er auf die wissenschaftliche Assistentin Lissy Waldstett (Nora Tschirner). Diese wittert die Chance, ihre zuvor von der Klinikleitung abgelehnte Glücksforschung durch ein Singprojekt mit dem prominenten Patienten zu realisieren. Sie möchte erforschen, ob Singen depressive Menschen glücklich macht. Im Gegenzug verspricht sie Daniel eine schnelle Entlassung.

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Für uns als Musiktherapeutinnen, die mit der Wirkung von Musik arbeiten, ist es beglückend, einen Film anzuschauen, der genau das zum Thema macht und dem es gelingt, diese Wirkung beim Zuschauen hervorzurufen. Ja, wir hatten bei den Chorszenen Gänsehaut! Wir konnten spüren, dass Singen glücklich macht und dieses Glück übertrug sich in diesen Momenten auch auf uns.

Märchen oder Realität?

Beim Rausgehen ist mein erster Kommentar: „Was für ein Märchenfilm!“. Und Christine: „Das ist die Realität!“. Als langjährige Musiktherapeutin in der Klinik weiss ich, wie Klinik funktioniert und weiss, dass es eben SO nicht läuft. Das macht aber nichts, denn die Charaktere sind sympathisch und die Art, wie Daniel sich auf die Gruppe einlässt, gefällt mir gut. Wir lernen die Gruppenteilnehmer:innen, mit ihrem Hintergrund und ihren Problemen kennen, die Glücksforscherin, die übrigens sehr unglücklich ist, und auch Daniel, in seiner Abhängigkeit von der Musikindustrie und der Presse.

Und das ist der Punkt, an dem Christine die Wirklichkeit sieht. Im Erstberuf Komponistin mit eigenem Studio, also erfahren im Musikbusiness, ist sie identifiziert mit Daniel und der knallharten Realität, die mit Alkohol und Drogen manchmal leichter zu ertragen ist und wo Beziehungen in erster Linie eingegangen werden, wenn sie einem nützen.

Apropos Beziehungen

Die Vielfalt menschlicher Beziehungen und deren wertungsfreies Einfühlen ist für uns eine zentrale Botschaft des Films. Er zeigt uns von Depression, Ausgrenzung und Demenz belastete Menschen, die durch das Singen eines einzelnen Tons zusammenfinden und dadurch etwas passiert, was auch ausserhalb des Singens nachwirkt. Und diese Wirkung erleben nicht nur die Teilnehmer:innen des Chorprojektes, sondern auch Lizzy und Daniel.

Musik und Ausstattung

Ein aktuelles Buch, das an uns als FILMSTELLE herangetragen wurde und unseren Musiktherapiebrillen-Blick definitiv geschärft hat, ist „Sichtbare, denkbare und hörbare Töne“ von Tomi Mäkelä (Sichtbare, denkbare und hörbare Töne-Inszeniertes Musikgeschehen im Tonfilm zwischen The Jazz Singers und Anora. Berlin, Peter Lang Verlag, 2025). Der Autor lenkt den Blick nicht nur auf die gehörte und gespielte Musik im Film, sondern auch auf die musikbezogenen Dialoge oder auf die Ausstattung der einzelnen Filmszenen. Mit diesem erweiterten Blick ist uns aufgefallen, wie stimmig und sorgfältig die Crew gearbeitet hat. Daniels Wohnung beispielsweise, symbolisiert in seiner kargen Ausstattung (Plattenspieler, goldene Schallplatte) dessen inneres reduziert-Sein auf seinen grossen Hit. Und im Abspann haben wir erstmalig einen „Musiktherapie Supervisor“ entdeckt: unsere ehemalige DMtG-Vorständin Karin Böseler. Ein grosses WOW.

Musiktherapie

Wie wirkt nun dieses filmisch-musikalische Projekt auf uns? Es ist kein Film über Musiktherapie, denn Musiktherapie braucht einen geschützten Rahmen, einen Therapieauftrag, Beziehung, ein Therapieziel und vor allen Dingen einen oder eine  qualifizierte Musiktherapeutin.

Er will es auch gar nicht sein. Wir haben Florian David Fitz ein paar Fragen gestellt.

Filmstelle: Was hat Sie zu der Idee des Films bewogen?

F. D. Fitz: Die einfache Frage, ob und warum Singen glücklich macht.

Filmstelle: Macht Sie singen glücklich?

F. D. Fitz: Ich finde, man kann nach der Erfahrung mit diesem Film ganz klar sagen: ja. Aber gar nicht so sehr alleine singen, das macht natürlich auch Spaß. In der Gruppe zu singen ist noch mal eine andere Sache.

Filmstelle: Was war ein besonderer Musikmoment in Ihrem Leben?

F. D. Fitz: Ich hab immer schon viel Musik gemacht, auch schon bei mir im Gymnasium. Ich hatte eine A-Cappella Gruppe und war im Chor und in einer Band. Das hat mich also immer schon beschäftigt. Aber als ich nach dem Abitur nach Boston kam und mit 30 Leuten, die alle unfassbar tolle Stimmen hatten in einem Chor gesungen hab, die gesamte Musikliteratur rauf und runter, diese Power zu spüren, war ehrlich gesagt wirklich berauschend.

Filmstelle: Was fällt Ihnen zu Musiktherapie ein? Haben Sie eine für sich heilsame oder therapeutische Wirkung von Musik erlebt?

F. D. Fitz: Ich weiß gar nicht, ob ich es als therapeutisch bezeichnen würde. Ich empfand es einfach als heilsam, in Kontakt mit etwas größeren zu sein, in der Gruppe zu singen, Harmonien zu hören und selbst Teil davon zu sein. Außerdem macht es einfach Spaß.

In NO HIT WONDER geht es um Spass, Intensität und Verbindung durch, mit und über Musik. Und da sind wir wieder beim Märchen. Ich hoffe sehr, dass dieses „Märchen“ hier nicht endet und dass sich tatsächlich prominente Künstler:innen und Musiker:innen vermehrt in Projekten im Sinne kultureller Teilhabe engagieren. Diesen Motivationsschub können wir Musiktherapeut:innen gut gebrauchen und ist – wie wir im Film sehen – sowohl für die Teilnehmenden als auch für die Künstler eine echte Bereicherung. Was für eine schöne Vision.

Unser Fazit: Feelgood-Film über Musik, psychische Erkrankungen und Glücksforschung.

Weitere Chorfilme für lange Winterabende
  • Wie im Himmel (2004)
  • Sister Act (1992)
  • Song for Marion (2012)
  • Young@Heart (2007)
  • Die Kinder des Monsieur Mathieu (2004).

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Bild von Ulrike Haffa-Schmidt

Ulrike Haffa-Schmidt

Ulrike Haffa-Schmidt ist Musiktherapeutin, Lehrmusiktherapeutin (DMtG), Psychoonkologin und Heilpraktikerin mit eigener musiktherapeutischer Praxis. Langjährige klinische Tätigkeit in den Bereichen Kinder- und Jugendpsychiatrie, Onkologie, Palliativmedizin und Psychosomatik. Mitglied im Berufsständischen Beirat der DMtG. www.musiktherapie-nuernberg.de

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