Filmrezension Musikfilme aus musiktherapeutischer Sicht vonHaffa-Schmidt Back

Die zwei von der Filmstelle:
“Gloria!”

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Wenn die beiden Musiktherapeutinnen Christine Back und Ulrike Haffa-Schmidt in Nürnberg ins Kino gehen, setzen sie ab und zu ihre Musiktherapeutenbrille auf. Dabei entdecken sie immer wieder interessante Berührungspunkte zu ihrem Berufsfeld.

Gloria!

  • Kinostart: 29. August 2024
  • Erscheinungsjahr: 2024
  • Dauer: 105 Minuten
  • Regie: Margherita Vicario
  • Darsteller: Galatéa Bellugi, Carlotta Gamba, Maria Vittoria Dallastra, u.a.
  • Genre: Drama, Musikfilm
  • Produktionsland: Italien, Schweiz

„Alles ist Musik“ (John Cage)

An dieses Zitat hat mich die wunderbare Anfangsszene des gerade angelaufenen Films GLORIA! erinnert: Teresa, eine vermeintlich stumme Magd arbeitet im Hof des Klosters Sant’Ignazio. Wäsche wird gewaschen und aufgehängt, es wird gefegt, geschrubbt, geschnippelt und wir erleben Teresas innere Veränderung, als diese Alltagsgeräusche sich aufeinander beziehen, miteinander verbinden und wir ihre eigene Schönheit in Rhythmus und Melodie hören. Musiktherapie pur!

Die Handlung

1800 – irgendwo in der Nähe von Venedig: Im Kollegium Sant’Ignazio, einem Heim und einer Musikschule für Waisenmädchen, führt die Waise Teresa ein einsames Leben. Die Hierarchie der Einrichtung teilt die Mädchen in etwas privilegierte Sängerinnen und Instrumentalistinnen und einfache Mägde. Während sich alle auf den geplanten Besuch des neuen Papstes vorbereiten, findet Teresa in einem Keller ein Pianoforte und beginnt, darauf zu experimentieren. Einige der Musikerinnen entdecken sie beim Spielen und sind erstmalig mit einer ganz neuartigen, sehr emotionalen Musik konfrontiert. Die Geschichte nimmt weiter Fahrt auf mit einem korrupten und unter Druck stehenden Orchesterleiter und Priester, dem Geheimnis um Teresa, der Liebe einer der Geigerinnen und dem Konzert anlässlich des Papstbesuches. Mehr sei nicht verraten.

Mich begeistern Filme, die unterschiedliche Charaktere gegenüberstellen und wir deren innere und äussere Entwicklung erleben. Gelungene und bekannte Beispiele sind „Ziemlich beste Freunde“, „Das Konzert“ und „Wie im Himmel“. In GLORIA! sehen wir diese Gegensätze auf vielen Ebenen: adelig gegen rechtlos, Kunstmusik vs. emotionalem Ausdruck in der Musik, Anpassen oder Grenzen überwinden, Emanzipation oder Akzeptieren bestehender Befehlsgewalten, Wahrheit oder Lüge und auf der filmischen Ebene eine „alte“ Geschichte mit „Neuer Musik“ zu verknüpfen.

Die Story, eine Mischung aus Historienfilm und Musikmärchen ist mitreissend und hat mich mit seinen genresprengenden und kreativen Regieeinfällen überrascht. Der Film ist unterhaltsam, wenn auch nicht ganz klischee- und kitschfrei, aber dafür ist ja Kino (auch) da!

Musiktherapie wird, wie bereits erwähnt, zu Beginn des Films erlebbar, später noch, wenn Teresa mit Kindern spielt und in den Szenen, in denen sie und die vier Orchestermusikerinnen abwechselnd, konkurrierend, füreinander, gemeinsam musizieren, komponieren, ihren eigenen Stil entwickeln, solidarisch werden und etwas völlig neues entstehen lassen.

Die dargestellten Musikszenen und deren Wirkungen auf die Protagonist*innen des Films und uns als Zuschauerinnen – und darum geht es uns in unserem Blog – finde ich überzeugend umgesetzt. „Hey, Ulli,“ ruft mir noch Christine zu. „Der Film gehört definitiv in das Werbe- und Fortbildungsarchiv für Musiktherapie.“

Fazit: unterhaltsam und sehenswert

Picture of Ulrike Haffa-Schmidt

Ulrike Haffa-Schmidt

Ulrike Haffa-Schmidt ist Musiktherapeutin, Lehrmusiktherapeutin (DMtG), Psychoonkologin und Heilpraktikerin mit eigener musiktherapeutischer Praxis. Langjährige klinische Tätigkeit in den Bereichen Kinder- und Jugendpsychiatrie, Onkologie, Palliativmedizin und Psychosomatik. Mitglied im Berufsständischen Beirat der DMtG. www.musiktherapie-nuernberg.de

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