Filmrezension Musikfilme aus musiktherapeutischer Sicht vonHaffa-Schmidt Back

Die zwei von der Filmstelle:
“James Bond 007: Keine Zeit zu sterben”

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Wenn die beiden Musiktherapeutinnen Christine Back und Ulrike Haffa-Schmidt in Nürnberg ins Kino gehen, setzen sie ab und zu ihre Musiktherapeutenbrille auf. Dabei entdecken sie immer wieder interessante Berührungspunkte zu ihrem Berufsfeld.

James Bond 007: Keine zeit zu sterben

  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Dauer: 163 Minuten
  • Regie: Cary Fukunaga
  • Darsteller: Daniel Craig, Lea Seydoux, Rami Malek, Lashana Lynch, Christoph Waltz
  • Genre: Actionfilm
  • Produktionsland: Großbritannien, USA

Titelmelodien oder die Wirkung der vier Halbtöne a-b-h-b

Wie schafft es die Titelmelodie von James Bond, für zwei bis drei Stunden einen anderen Menschen aus mir zu machen? Sind es die vier langgezogenen Halbtöne der Streicher, ist es der prägnante Rhythmus der danach einsetzenden Gitarre oder ist es das dann folgende schneidende Motiv der Bläser? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Aber seit meinem „Erweckungserlebnis“ mit Diamantenfieber gehe ich in jeden neuen James Bond Film – so auch in 007 James Bond- Keine Zeit zu sterben.

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Bin ich im wirklichen Leben ein friedliebender Mensch und schließe meine Augen bei Gewaltszenen in Filmen, begeistern mich bei 007 die Actionszenen und wilden Verfolgungsjagden. Bin ich im wirklichen Leben differenziert und reduziere die Welt nicht auf „Gut und Böse“, nicke ich das einfache Modell „Freund und Feind“ bei 007 locker ab. Mag ich im wirklichen Leben keine Machos, sitze ich im Kinosessel und könnte „Oh, James!“ stöhnen. Und ich liebe dieses immer gleiche Muster, nach dem die Filme ablaufen. Charmanter 007, richtig fieser Bösewicht, der die Weltherrschaft an sich reißen möchte, tolle Locations, Bond Girls, Miss Moneypenny, natürlich M, Q, Felix Leitner vom CIA und das dramatische Schlussszenario, bei dem 007 genau 007 Sekunden bevor die Welt untergeht, diese (und natürlich auch uns) rettet.

Von dieser Vorlage ist der neue James Bond Film abgewichen. Von meiner Seite kommt hier ein klares „leider“, aber es ist durchaus verständlich, dass die Macher des neuen Films mit der Zeit gehen, differenziertere Persönlichkeiten entwickeln, Frauen stark und emanzipiert auftreten lassen. Mehr sei nicht verraten.

Ich möchte mich hier lieber wieder der Musik zuwenden, denn in diesem Zusammenhang fällt mir auf, wie viele Titelmelodien von Filmen sich in mein Gehirn eingebrannt haben. Hier eine ganz subjektive Aufzählung von Kinderserien im Fernsehen: Flipper, Bonanza, Die Sendung mit der Maus, Pumuckl, Der rosarote Panther (keine Titel- aber Abspannmelodie), Jim Knopf oder Pipi Langstrumpf. Da summt man doch schon beim Lesen die Melodie und die Texte kommen auch von alleine. Das sind Melodien, die uns jedes Mal unmittelbar positiv einstimmen auf das was kommt, Lust auf Spaß und Abenteuer machen und vom ersten Takt an Ohrwurmqualität haben.

Ähnliches geschieht doch in Musiktherapiestunden mit Kindern! Ein Begrüßungslied mit einer einfachen und einprägsamen Melodie, verbunden mit einem persönlichen und auffordernden Text schafft einen klaren Rahmen für Gemeinsamkeit, Sicherheit und Aufmerksamkeit. Es erinnert uns auch daran, was in der vorangegangenen Stunde entwickelt und an was wir gerne wieder anknüpfen möchten.

Meine Aufzählung von Titelmelodien bei Kinofilmen geht ganz subjektiv weiter mit Love Story, The Entertainer, Easy Rider, Spiel mir das Lied vom Tod, Zwei glorreiche Halunken. Später dann Der Pate, Titanic, Die fabelhafte Welt der Amelie, Fluch der Karibik, Schindlers Liste, Wie im Himmel, Harry Potter, Star Wars und, und, und…

Die Musik stimmt mich ein auf den Film. Ähnlich wie bei einer Ouvertüre in der Oper werden der Ort der Handlung, das Genre und die inhaltliche Atmosphäre in der Musik musikalisch vorgestellt und dann auf der Bühne, oder eben im Film weiterverarbeitet.

Später bekommen diese Musikstücke oft ein Eigenleben bei den Zuhörern. Ich habe Ragtime erst durch den Film The Entertainer kennengelernt. Und dieses Musikstück war dann auch das erste nicht-klassische Stück, das ich auf dem Klavier geübt und geliebt habe. So ging es sicher, Generationen später, Klavierschülern mit der Musik aus Die fabelhafte Welt der Amelie und Schulorchestermitgliedern mit den Stücken aus Fluch der Karibik und Star Wars.

Aber was macht eine gute Titelmusik aus?

Ein paar Aspekte fallen mir ein. Die Musik ist originell und hat einen einprägsamen Sound, sie spricht mich emotional an, sie brennt sich als Ohrwurm in mein Herz und Hirn, sie transportiert mich durch die Instrumentierung gleich in die passende Atmosphäre, die entsprechende Zeit und auch in den Ort, in der der Film spielt. Das klingt ziemlich dürftig, ich habe aber leider keine Möglichkeit Hans Zimmer oder John Williams zu diesem Thema zu interviewen.

Bei meiner Arbeit als Musiktherapeutin spielt Filmmusik eine zunehmend große Rolle. Improvisationsreflektionen leite ich gerne ein mit „Stellen Sie sich vor, das war jetzt die Musik zu einem Film. Wovon könnte der handeln?“ Auf die Frage „Welche Musik spielt in ihrem Leben eine Rolle?“, bekomme ich immer öfter Bezüge zu Filmen, bei denen die Musik als besonders berührend empfunden wurde und wo die entstehenden Anknüpfungspunkte zur persönlichen Auseinandersetzung eigener Themen führt.

Zum Schluss noch ein Tipp meiner Tochter Lina Schmidt. Auf der geriatrischen Station in einer großen Psychiatrie verwendet sie eine Spotify-Playlist mit Titelmelodien bekannter TV- und Kinofilme für Musikrätsel. Das kommt sehr gut an!

Also, was ist das mit diesen Titelmelodien von Filmen? Was hat es auf sich mit dieser simplen Tonsequenz a-b-h-b? Meine Blog-Kollegin Christine meint, das klingt nach einem Erdmännchen, das vorsichtig aus seiner Erdmulde nach oben rausschaut und dann schnell wieder verschwindet. Einmal vorsichtig in die, ach so gefährliche Welt da draußen gucken, und dann zurück in den sicheren Bau … von 007.

Und gerade denke ich mir, wenn es Titelmelodien schaffen, uns so unmittelbar und nachhaltig in emotionale Räume zu bringen, welche Wirkungen haben dann erst die Wortmelodien einer Mutter oder eines Vaters.

Fazit: Die James Bond Titelmelodie ist ein Knaller!

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Ulrike Haffa-Schmidt

Ulrike Haffa-Schmidt ist Musiktherapeutin, Lehrmusiktherapeutin (DMtG), Psychoonkologin, Heilpraktikerin mit eigener Praxis und Tätigkeit in der Onkologie, Palliativstation und Psychosomatik am Klinikum Nürnberg. Mitglied im Berufsständischen Beirat der DMtG und Delegierte der DMtG für die BAG-Musiktherapie. www.musiktherapie-nuernberg.de

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Tobias Kranz

    Liebe Ulli, vielen Dank für Deinen Text. Herzerfrischend und sehr unterhaltsam. Die Filmfrage zur Improvisation stelle ich übrigens auch gerne. Ich freue mich schon jetzt auf Eure nächste Filmrezension! Tobias

  2. Ulrike Haffa-Schmidt

    Und mich freut dein Kommentar!

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