Filmrezension Musikfilme aus musiktherapeutischer Sicht vonHaffa-Schmidt Back

Die zwei von der Filmstelle:
“Für Elise”

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Wenn die beiden Musiktherapeutinnen Christine Back und Ulrike Haffa-Schmidt in Nürnberg ins Kino gehen, setzen sie ab und zu ihre Musiktherapeutenbrille auf. Dabei entdecken sie immer wieder interessante Berührungspunkte zu ihrem Berufsfeld.

Für Elise

  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Dauer: 94 Minuten
  • Regie: Wolfgang Dinslage
  • Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Christina Große, Hendrik Duryn
  • Genre: Drama/Musik
  • Produktionsland: Deutschland
  • Zu sehen auf DVD und Amazon Prime

Zufall oder Programm?

Dass wir diesen Film in unseren Blog aufnehmen wollen war Ulli und mir sofort klar, nachdem wir ihn gemeinsam im Rahmen der Nürnberger Reihe „Film auf der Coach“ gesehen hatten. Die Reihe ist eine Initiative von örtlichen Psychotherapeuten, bei der nach der Vorführung die Möglichkeit besteht, noch gemeinsam über den Film zu diskutieren.

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Das Drama „Für Elise“ handelt von der Beziehung zwischen einer Tochter und ihrer Mutter, die nach dem tragischen Unfalltod des Vaters und Ehemannes weiterleben müssen. Als Lösungsweg wählt die 15jährige Elise (Jasna Fritzi Bauer) die Musik und die Mutter (Christina Große) den Alkohol. An der Schnittstelle der beiden Lösungswege treffen sich Überforderung, Rollentausch und große Bedürftigkeit der beiden Frauen zu gleichen Teilen. Als der frisch getrennte Journalist Ludwig (Hendrik Duryn) in das Leben der beiden kommt entsteht ein von außen gesetzter Veränderungsimpuls, der Mutter und Tochter die Möglichkeit für neue Ausrichtungen gibt. Doch auch Ludwig steht in diesem Beziehungsgemenge vor der Herausforderung, für was und für wen er sich entscheidet.

Als Musiktherapeutin und Musikerin fällt mein Blick natürlich auf Aspekte der Musik. „Für Elise“ ist ein interessanter Titel und mir kommt rasch seine Mehrdeutigkeit in den Sinn. Der Filmtitel verweist auf das bekannte Musikstück von Beethoven und im Film – in dem insgesamt sehr feinfühlig mit Musik und auch Stille umgegangen wird – wird das Klavierstück auch an wichtigen Stellen zur inhaltlichen Unterstützung eingesetzt. Andererseits richtet er den Fokus auf eine der Protagonistinnen und macht sie quasi zur Hauptdarstellerin. Geschickter Schachzug, denke ich mir. Doch ich schaue weiter und dann erinnere ich mich, dass Beethoven auch ein Elternteil (seine Mutter) verloren hatte, dass sein Vater alkoholkrank wurde, dass Beethoven in der Folge alleine für die Familie sorgen musste und dass Musik ja bekanntermaßen eine wichtige Rolle in seinem Leben spielte. Und die Parallelen gehen weiter. Die Frage, wer denn diese „Elise“ sei, der das Klavierstück gewidmet wurde, ist bis heute nicht geklärt. In der Forschung werden zwei Frauen benannt, zu denen sich Beethoven wohl hingezogen fühlte und die in Frage kommen könnten. Doch was ist mit der Entscheidung? Es gibt keine klare Antwort. Und dann noch die Rondo Form des Stückes. „Für Elise“ ist als Aneinanderreihung der Teile A B A C A komponiert. Teil A, als der bekannteste Teil der Komposition bietet das bleibende und wiederkehrende Motiv, das auch den Rahmen darstellt. Teil B bringt Dynamik in das Stück, setzt einen fröhlichen, zuversichtlichen Akzent und in Teil C erklingt Dramatik. Es mutet mich wie das Drehbuch zum Film an. Das tiefliegende Bedürfnis aller Protagonisten nach Nähe und Zuwendung als das wiederkehrende und treibende Motiv im Film, die Zuversicht die aufblüht als der Journalist in die Geschichte kommt und das Drama das entsteht in der Verstrickung der Beziehungen.

Ich sitze vor meinem PC und bin nachdenklich. Ist das Zufall oder Programm? Inszeniert sich das aus rationalen Überlegungen der Filmautoren oder ist hier etwas wirksam, das wir weitgehendst als das Unbewusste bezeichnen? Am liebsten würde ich das Filmteam dazu befragen. Denn wenn es unbewusst passiert wäre, dann wäre das doch wirklich bemerkenswert.

Mit dem Film „Für Elise“ hat Regisseur Wolfgang Dinslage gemeinsam mit den eindrucksvoll und überzeugend spielenden Darstellern ein emotional dichtes und sehenswertes Filmdrama geschaffen, das eine Fülle von psychodynamischem Stoff bietet.

Unser Fazit: Sehr sehenswert.

Christine Back

Christine Back

Christine Back ist Musiktherapeutin, Lehrmusiktherapeutin (DMtG), Heilpraktiker für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz (HPG). Tätigkeit in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Martha-Maria-Krankenhaus Nürnberg, div. Lehrtätigkeit, selbständige Musikerin und Komponistin.

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