Filmrezension Musikfilme aus musiktherapeutischer Sicht vonHaffa-Schmidt Back

Die zwei von der Filmstelle:
“Die Geschichte vom weinenden Kamel”

Loading

Wenn die beiden Musiktherapeutinnen Christine Back und Ulrike Haffa-Schmidt in Nürnberg ins Kino gehen, setzen sie ab und zu ihre Musiktherapeutenbrille auf. Dabei entdecken sie immer wieder interessante Berührungspunkte zu ihrem Berufsfeld.

Die Geschichte vom Weinenden Kamel

  • Erscheinungsjahr: 2003
  • Dauer: 87 Minuten
  • Regie: Byambasuran Davaa (Mongolei) und Luigi Falorni (Italien), auch Kamera
  • Produktion: Tobias Siebert (Deutschland)
  • Genre: Dokumentarfilm
  • Produktionsländer: Mongolei, Deutschland

Was hat ein Kamel mit Musiktherapie zu tun?

Die Antwort:

„Die Geschichte vom weinenden Kamel“ ist der erste Film in unserem Blog, in dem Musiktherapie bewusst angewendet und als ein wirkendes Verfahren dargestellt wird.

Der Inhalt:

Erzählt wird ein Ereignis, das, laut einem Interview der Regisseurin Byambasuran Davaa[1], immer wieder in der Wüste Gobi vorkommt. Eine Kamelmutter verstößt ihr Neugeborenes. In der Geschichte versucht die Nomadenfamilie, zu der die zwei Tiere gehören, unermüdlich, die beiden wieder zusammenzubringen. Doch die Kamelmutter verstößt das kleine Kamel ein ums andere Mal. Dann besinnt sich die Nomadenfamilie eines alten Rituals und beauftragt einen Geiger, auf seiner Pferdekopfgeige für die Kamelmutter zu spielen und sie so dazu zu bringen, sich wieder ihrem Kameljungen zuzuwenden.

Der Film läuft in einem ruhigen und schlichten Tempo mit eindrücklichen Bildern ab. Unaufdringlich nimmt man teil, wie die Menschen in einer verlassenen Gegend ihren Weg in die Zukunft suchen zwischen Tradition und Fortschritt. Und wohl jeden rührt das kleine Kameljunge in seinem verzweifelten Bemühen, seine Mutter für sich zu gewinnen und zu überleben. Beim Anschauen entstehen immer wieder Verknüpfungen zu musiktherapeutischen und psychotherapeutischen Themen. Die Wirkung von Triangulierung, das geduldige Dran-Bleiben, das Experimentieren in dem was man tut und das Aushalten von Scheitern, die Kraft eines Teams, die Tragik des Ausgeschlossen Werdens und die eindrückliche Wirkung von Musik.

In dem Interview wird die Regisseurin Byambasuren Davaa  u.a. gefragt, was denn aus dem Kamelbaby geworden wäre, wenn das Musikritual nicht angewendet worden wäre bzw. nicht gewirkt hätte? Byambasuren Davaa antwortet: „Das Kamelbaby hätte nicht aufgehört zu weinen. Das hätte kein Mensch ausgehalten. Dieses herzzerreißende Weinen. Kamele ertragen ganz schwer die Trennung von Mutter und Kind. Sie müssen das Trauma aufarbeiten und das erreichen die Nomaden durch Musik, durch Gesang. Seit ich mich mit dem Thema beschäftige, ist mir kein Fall bekannt geworden, wo das Ritual nicht funktioniert hätte. Ich habe mit vielen Nomaden darüber gesprochen, aber ich habe nie gehört, dass es nicht funktioniert.“

Ich muss gestehen, dass ich den Film über das weinende Kamel schon etliche Mal angeschaut habe und jedes Mal tief berührt bin. Aber als ich diese Aussage der Regisseurin gelesen habe, hat mich der Film erst richtig getroffen. Ich glaube ich muss nicht erklären, warum.

Unser Fazit: Sehr sehenswert

[1] https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-geschichte-vom-weinenden-kamel 05.08.2020,  9:38 Uhr

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Für Interessierte noch ein paar Fakten: 

Der Film ist die gemeinsame Abschlussarbeit von der aus der Mongolei stammenden Regisseurin Byambasuren Davaa und dem italienischen Regisseur und Kameramann Luigi Falorni aus dem Jahr 2003. Die beiden studierten damals an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Die Produktion wurde gefördert durch den Bayerischen Rundfunk und den FilmFernsehFond Bayern. Der Film wurde erstmals beim Filmfest München aufgeführt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen: „Prädikat besonders wertvoll“ (Deutsche Film- und Medienbewertung FBW, Wiesbaden); 2005 Oscarnominierung in der Kategorie Bester Dokumentarfilm; Auszeichnung der Regisseure für die Beste Dokumentation durch die Gilde der amerikanischen Regisseure.

Christine Back

Christine Back

Christine Back ist Musiktherapeutin, Lehrmusiktherapeutin (DMtG), Heilpraktiker für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz (HPG). Tätigkeit in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Martha-Maria-Krankenhaus Nürnberg, div. Lehrtätigkeit, selbständige Musikerin und Komponistin.

Schreibe einen Kommentar