Am 29. März 2023 fand in Heidelberg das Symposium „Musik für mehr Lebensqualität für Menschen mit Demenz“ statt. Vorgestellt wurden die Ergebnisse der Potentialanalyse zu musikbasierten Angeboten für Menschen mit Demenz.
Die Wahrung von persönlicher Teilhabe und Lebensqualität hat für uns Menschen zu jedem Zeitpunkt des Lebens einen hohen Stellenwert. Selbstverständlich gilt dies auch für die hierzulande stetig wachsende Zahl an Demenz erkrankter Menschen.
„Es geht nicht zuletzt um die Würde der Betroffenen und darum, dass sie die Gesellschaft nicht ausschließen und vergessen darf.“ – Statement zum Symposium von Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien
Seit 2018 beschäftigt sich die aus einer Tagung des Landesmusikrats Hamburg entstandene Bundesinitiative „Musik und Demenz“ mit dem bewussten Einsatz von Musik, Musiktherapie und Musikgeragogik für den Erhalt der Lebensqualität genau dieser Menschen. Ziel ist es, konkrete Nachweise hierfür zu erbringen und Projektinitiativen zu fördern.
Bundesweite Erhebung zur Ausgangslage
Für die Förderung neuer, bedarfsorientierter Projekte ist es wichtig, zunächst die aktuelle Lage in den deutschen Pflegeeinrichtungen zu kennen. Im Januar 2022 starteten Prof. Dr. Alexander F. Wormit (SRH Hochschule Heidelberg) und Prof. Dr. Kai Koch (Universität Vechta) in Zusammenarbeit mit der Bundesinitiative Musik und Demenz daher eine bundesweite Erhebung zur Analyse des Potentials von musikbasierten Angeboten für Menschen mit Demenz. Die Initiative wird durch die Freiburger Volker Homann Stiftung aus dem Sondervermögen Baumeister Georg Richter gefördert. Vielen Dank an dieser Stelle, dass Sie den Initiatoren diese fundamentgebende Forschung ermöglicht haben. Im Rahmen der Potentialanalyse wurden Alten- und Pflegeeinrichtungen zu ihrer Ausstattung, zu Finanzierungsmöglichkeiten und zu bereits durchgeführten musikalischen Angeboten befragt.
527 Einrichtungen nahmen teil
Weitere Schwerpunkte der Erhebung waren das ausführende Personal (Musiktherapeut:innen, Musikgeragog:innen, Ehrenamtliche, etc.) und eine Selbsteinschätzung zum Bedarf musikalischer Angebote in der eigenen Einrichtung. Insgesamt nahmen 527 Einrichtungen teil. Ihre Antworten wurden anschließend unter der Leitung von Dr. Kai Koch ausgewertet und im Projektteam diskutiert und analysiert. Im Rahmen eines zweistündigen Abschlusssymposiums an der SRH Hochschule Heidelberg wurden nun nach 15-monatiger Projektlaufzeit erste Ergebnisse vorgestellt. Um eine möglichst hohe Zahl von Interessent:innen außerhalb Heidelbergs zu erreichen, wurde die Veranstaltung live gestreamt. Neben der Vorstellung der Outcomes der Potentialanalyse erwartete die Teilnehmenden ein spannendes und informatives Programm, das die Bedeutung des Forschungsprojekts beleuchtete. Eine Aufzeichnung des kompletten Symposiums ist in Form eines Veranstaltungsfilms auf YouTube abrufbar.
Erfahrungsbericht aus Pflegeheim
Ein eindrückliches Beispiel für das Wirken musikbasierter Angebote gab der Vortrag von Anke Franke, Leiterin des Alten- und Pflegeheim Maria-Martha-Stift in Lindau. In ihrer Einrichtung werden schon seit Jahren vielfältige Angebote wie Trommelgruppen, Singkreise, etc. erfolgreich umgesetzt. Außerdem werden Projekte mit dem örtlichen Kindergarten, sowie Schulungen für die Mitarbeitenden angeboten. Das hybride Format des Symposiums bot darüber hinaus parallel die Möglichkeit für einen zusätzlichen fruchtbaren Austausch unter den Online-Teilnehmenden mittels der Chatfunktion. Auf diese Weise wurden Anregungen, Lektüreempfehlungen und Verweise auf eigene Projekte geteilt.
Resolution “Musik für mehr Lebensqualität bei Demenz”
Ein besonderer berufspolitischer Meilenstein für uns Musiktherapeut:innen war an diesem Abend die Verkündung der Resolution „Musik für mehr Lebensqualität bei Demenz“ von Prof. Christian Höppner (Generalsekretär Deutscher Musikrat) und Prof. Dr. Lutz Neugebauer (Vorstandsvorsitzender Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft). Solch eine Resolution hilft, in der breiteren Öffentlichkeit mehr Bewusstsein auf die Bedeutung der Musiktherapie in der Demenzbehandlung zu erreichen. Sie unterstreicht die positiven Auswirkungen, die professionelle musikalische Angebote in Pflegeeinrichtungen haben können und es wird deutlich, dass nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige und das Personal in den Einrichtungen diese als sehr wichtig und heilsam empfinden.
Statements aus der Politik
Dass dieses Wissen bereits in der Politik angekommen zu sein scheint, wird in den von Claudia Roth (Staatsministerin für Kultur und Medien), Sabine Dittmar (Parlam. Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit) und Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des deutschen Bundestages, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) verfassten persönlichen Statements zur Veranstaltung deutlich. Sie richteten sich nicht nur direkt an die Teilnehmenden des Symposiums, sondern betonten explizit die große Bedeutung, die der Thematik des nachhaltigen und bedarfsorientierten Alterns in der politischen Zukunft und auch für die Allgemeinbevölkerung beigemessen wird. Dr. Kirsten Kappert-Gonther hebt die Bundesinitiative hervor und bedankt sich für deren wertvolle Arbeit:
“Für Menschen, die bereits [an Demenz] erkrankt sind, müssen passgenaue Hilfen ausgebaut werden, wozu auch kreative Therapieansätze gehören sollten. Durch den kreativen Zugang zu sich selbst, zum Denken, Fühlen und Wollen kann der Umgang mit der Krankheit und die Lebensqualität gestärkt werden. Deshalb halte ich die Bundesinitiative „Musik und Demenz” für so relevant und richtungsweisend.”
Das Ende der Veranstaltung bildete ein Expert:innenpanel, moderiert von Norbert Groß (Koordinator Bundesinitiative „Musik und Demenz“, Landesmusikrat Hamburg). Neben den Vortragenden (s.o.) waren auch Prof. Dr. Jan Sonntag (Musiktherapeut) und Dr. Kerstin Jaunich (Musikgeragogin) hierzu eingeladen. Wichtige Aspekte der angesprochenen Thematiken wurden ins Visier genommen und reflektiert.
Fazit
Sowohl die Potentialanalyse, als auch die Bundesinitiative „Musik und Demenz“ stellen eine richtungsweisende Grundlage für die weitere Forschung im Bereich der Musiktherapie in der Förderung von Lebensqualität bei Menschen mit Demenz und in Alten- und Pflegeeinrichtungen dar. Zwar kann man ausgehend von den Ergebnissen der Befragung im Rahmen der Forschungsarbeit von Prof. Dr. Alexander F. Wormit und Dr. Kai Koch aufgrund der kleinen Stichprobe nur begrenzt auf Allgemeingültigkeit schließen, jedoch wird das hohe Interesse an der Nutzung und/oder Einführung musikalischer Angebote in Alten- und Pflegeheimen deutlich. Auch die politischen Statements stützen diese Annahme.
Es besteht demnach ein hoher und steigender Bedarf an qualifiziertem Personal, wie Musiktherapeut:innen und Musikgeragog:innen, sowie an Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Personal und Ehrenamtliche in den Pflegeeinrichtungen. Fehlende Finanzierungsmöglichkeiten scheinen diesen Bedarf bisher unzureichend abzudecken und können daher eine optimale personelle Versorgung im Bereich der kreativtherapeutischen Angebote noch nicht ermöglichen. Es bleibt nun zu erhoffen, dass das die Beiträge des Symposiums „Musik für mehr Lebensqualität für Menschen mit Demenz“ und die hervorragende Arbeit der Bundesinitiative „Musik und Demenz“ zu einer Änderung beitragen können!
Vielen Dank an alle Interessierten, die an der Veranstaltung live und online teilgenommen und eigene Erfahrungen geteilt haben. Auch den Vortragenden und besonders Prof. Dr. Alexander F. Wormit und Dr. Kai Koch soll an dieser Stelle noch einmal besonderer Dank für ihre großartige Arbeit ausgesprochen werden! Ebenso ein herzliches Dankeschön an Elona Mucha (Studentin im M.A. Musiktherapie an der SRH Heidelberg), die für die musikalische Umrahmung des Abends sorgte.
Die Aufzeichnung des Symposiums ist als Film online!
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Bundesinitiative Musik und Demenz:
Weitere Links:
Landesmusikrat Hamburg www.lmr-hh.de
Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft (DMTG) www.musiktherapie.de
Deutsche Gesellschaft für Musikgeragogik (DGMG) www.dg-musikgeragogik.de
SRH Heidelberg – Bachelor Musiktherapie www.srh-hochschule-heidelberg.de/bachelor/musiktherapie
SRH Heidelberg – Master Musiktherapie www.srh-hochschule-heidelberg.de/master/musiktherapie