Musik auf Raedern Musiktherapie Blogbeitrag Chimes

Mit Musiktherapie seelische Balance finden

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Ob im Wohn- und Pflegeheim, der neurologischen Reha, Psychiatrie und Psychosomatik, im stationären Bereich bei der Begleitung von Frühgeborenen und ihren Eltern über die palliative Mitversorgung schwer kranker Menschen bis hin zur Begleitung von Sterbeprozessen im Hospiz – Musiktherapie ist inzwischen fester Bestandteil psychosozialer Hilfsangebote.

Was das Besondere daran ist? Musik wirkt. Musik hilft.

Aber was genau bewirkt Musik eigentlich? Und wieso wissen recht wenige Menschen, was genau die therapeutischen Aufgaben eines Musiktherapeuten sind?

Nun – Musik ist neben der Sprache als eine Art universelles Kulturgut für den Menschen eine Möglichkeit in Kontakt zu treten. Kommunikation ist hier das zentrale Stichwort oder einfacher ausgedrückt: Musik kann Verbindung schaffen! Verbindung zu anderen Menschen, im gemeinschaftlichen Erleben, zu der eigenen Biografie, den Erfahrungen, Erlebnissen und Emotionen des Einzelnen – also: zu sich selbst!

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Foto: Musik auf Rädern

So wie ich und viele meiner Kollegen es in der täglichen Praxis erleben, ist die allgemeine Vorstellung über musiktherapeutische Angebote häufig mit der Idee verknüpft, „dass wir eben mit kranken, behinderten, alten Menschen Musik machen“. Nun ja: das ist erstmal nicht verkehrt, aber der Blick über den Tellerrand verrät: Musiktherapie ist Beziehungsarbeit! Die Musik dient als Türöffner, als Werkzeug um die oben beschriebenen Verbindungen und Beziehungen herzustellen. Das Bedienen der Instrumente, die Auswahl der geeigneten Materialien und Methoden ist das Handwerkszeug. Worum es bei der Arbeit eigentlich geht, ist die Betrachtung und Begleitung desjenigen Menschen, den wir vor uns haben – und zwar in seiner Ganzheit! Musiktherapie wird daher auch als eine Form der Psychotherapie verstanden. Bei der Arbeit an Gefühlen und Empfindungen haben wir über die Musik die Möglichkeit, einen sehr unmittelbaren und direkten Zugang zu finden.

Das lässt sich (auch) über Befunde neuronaler Verarbeitungsmechanismen im Gehirn erklären, die eine sehr enge Verknüpfung musikalischer Inhalte (Musikerleben) mit emotionalen Prozessen (im sogenannten limbischen System) annehmen. So erklärt es sich beispielsweise auch, dass mit der Musiktherapie Menschen mit demenziellen Erkrankungen so gut angesprochen werden können: Die Musikerinnerung ist nicht von dem so typischen Vergessen einer Demenz betroffen – im Gegenteil, gelangen wir über das Erinnern von Musik unmittelbar an Gefühle und somit an biografische Erinnerungen der Betroffenen. Ein schmunzelndes Lächeln zaubern der 93-jährigen verwirrten alten Dame, dann schon mal die Erinnerungen beim Erklingen der ersten Zeilen des alten Schlagers auf die Lippen. Ein schöner Moment wurde geschaffen.

Wird die Musiktherapie beispielsweise in institutionelle Einrichtungen gebracht (häufig über mobile Angebote), ist dies immer eine Form von Abwechslung, Ausbruch aus dem Pflegealltag und nicht nur für die Patienten ein Gewinn. Auch Mitarbeiter profitieren, da sich die gesamte Atmosphäre in teils sehr straffen, überlasteten und durchorganisierten Systemen verändert. Es entsteht im wahrsten Sinne des Wortes eine „Lockerung“, was eine meiner Klientinnen mal so schön auf den Punkt brachte: „Das Wohnheim war angefüllt mit Leichtigkeit und noch viel mehr … Man ging mit Freude aus dem Raum oder aus dem Haus, bedankte sich gegenseitig, umarmte sich und nahm so viel mit sich …. im Innersten seines Herzens nach Hause … Bin ich glücklich …“

Die Musik drückt eben das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist, wusste schon Victor Hugo.

Unabhängig vom Krankheitsbild, -schweregrad, -verlauf und -prognose, kann Musiktherapie den Patienten dabei unterstützen, die seelische Balance durch emotionale Entlastung zu erlangen. Musik (selbst erzeugt, aktiv oder von außen wahrgenommen, rezeptiv) aktiviert unmittelbares Erleben, welches in der Betrachtung mit dem Therapeuten durchlebt, reflektiert und (re-)integriert wird. So können sich innere Spannungszustände, als konflikthaft erlebte widersprüchliche Gefühle oder schwer zu begreifende Erfahrungen auflösen und verstehbar werden, da sie einen Klang (und somit Sinn) bekommen. Der Klang, die Musik ist zum einen etwas im Außen, gleichzeitig aber unmittelbar mit dem Innen verbunden. Sie ereignet sich in einer Art Zwischenraum, in welchen der Therapeut gemeinsam mit seinen Patienten eintreten kann. Hierfür wird das kreativ-spielerische Potential angesprochen, welchen uns Menschen von Kindesbeinen an zutiefst und völlig natürlich zur Verfügung steht. Manchmal braucht es nur einen auslösenden Moment, um dies wieder zu aktivieren. Und das geschieht in der Musiktherapie quasi völlig selbstverständlich, so dass wir mit Aspekten unseres ureigenen Selbst in Verbindung treten können (z. B. Grundbedürfnisse nach sozialem Kontakt, nach Anerkennung und Liebe).

Britta Sperling ist Musiktherapeutin und Diplom-Psychologin (Praxis: www.britta-sperling.de)

Fotos mit freundlicher Genehmigung von www.musikaufraedern.de

Britta Sperling

Britta Sperling

Diplom-Psychologin, Ruhr Universität Bochum. Musiktherapeutin (M.A.), Westfälische Wilhelms Universität Münster. Heilpraktikerin für Psychotherapie. Selbstständig tätig in freier Praxis und Onlinepraxis für Psychologische Beratung und Musiktherapie mit dem Schwerpunkt Hochsensitivität und Hochbegabung. In Ausbildung zum ECHA Coach (Specialist in Coaching the Gifted) am Internationalen Centrum für Begabungsforschung (ICBF) in Münster. www.britta-sperling.de. www.instagram.com/britta_sperling/.

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